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Schwarz-Grün gegen Beteiligung Geh- und Sehbehinderter am Mobilitätsausschuss

08. Juli 2010

Rat2Gestern war Ratssitzung und es stand unter anderem die Beteiligung eines Vertreters der Seh- und Gehbehinderten an den Beratungen im Mobilitätsausschuss auf der Tagesordnung. Als Antragsteller habe ich mich zu Wort gemeldet und verdeutlicht, warum wir als SPD der Meinung sind, dass ein Mitglied der Kommission Barrierefreies Bauen als sachkundigeR EinwohnerIn ohne Stimmrecht an den Sitzungen teilnehmen sollte:

1) In den Beratungen des Ausschusses sind fast alle relevanten Akteure vertreten. Die ASEAG, die Polizei, die Umweltdezernentin, ein Vertreter einer Carsharing-Agentur. Herr Jahn z.B. ist leidenschaftlicher Radfahrer, Frau Breuer und ich reisen oft mit dem PKW an. Diese Gruppen sind im Ausschuss jeweils in mehreren Fraktionen vertreten, ihre Belange werden gehört, der Sachverstand ist über die Vertreter der Fraktionen im Zweifel leicht einzubinden. Aber wer von uns ist denn seh- oder gehbehindert? Diese Perspektive kann kein Ausschussmitglied einbringen und doch ist sie besonders wichtig! Ich will garnicht von der UNO-Menschenrechtskonvention sprechen – die Aachener Sozialkonferenz reicht vollkommen aus. Heute, einen Tag nach dem Beschluss des Rates berät der Verwaltungsvorstand die Ergebnisse der Konferenz, bei der eine stärkere Einbindung der Behinderten in die politischen Beratungen als wichtigster Punkt erarbeitet wurde. Warum ignoriert die Mehrheit dies?

2) Ich habe mir mal die Mühe gemacht, nachzuzählen und meiner Einschätzung nach sollten wir im Ausschuss zu etwa 2/3 aller inhaltlicher Tagesordnungspunkte, auch die Belange behinderter Menschen gezielt in unsere Beratungen einbinden. Das sind mehr Themenpunkte, als ich z.B. für die ASEAG gefunden habe!

3) Und schließlich der meiner Meinung nach wichtigste Grund: Die uns vorliegenden Pläne werden im Ausschuss nicht nur „abgenickt“ sondern es wird darüber diskutiert, sie werden bearbeitet und dynamisch weiterentwickelt. Genau so soll meiner Meinung nach die Arbeit im Ausschuss auch funktionieren. Eben dann reicht eine kurze, statische und in Konsequenz sofort veraltete Aussage der Kommission Barrierefreiheit nicht aus! Ein Beispiel aus der Mobilitätsausschuss-Sitzung vom 24.6. zeigt dies ganz deutlich: Bei der Beratung der Pläne zum Boxgraben diskutierten die Ausschussmitglieder vollkommen orientierungslos über eine mögliche Umgestaltung des Orientierungssystems für Sehbehinderte. Hier mussten wir uns schließlich damit begnügen, die Kommission zu diesem Thema erneut zu befragen.

Natürlich kann man dazu uns auch im Allgemeinen sagen „Es läuft ja auch so“, aber – und an dieser Stelle möchte ich mich nochmals bei der Verwaltung bedanken: Sogar in der Vorlage ist offensichtlich kein einziger Grund enthalten, der wirklich GEGEN die Zuladung eines sachkundigen Einwohners spricht.

Ich habe also im Rat diese drei ausgewählten Gründe genannt, die für eine Beteiligung sprechen und augenscheinlich spricht nichts dagegen.

Als Antwort hörte ich dann von den Herren Rau (Grüne) und Baal (CDU), dass man keinen Präzedenzfall erzeugen wolle, und deswegen grundsätzlich keine sachkundigen Einwohner bestellen wolle. Am Ende käme dann ja auch z.B. der ADAC und wolle jemanden entsenden.
An dieser Stelle fiel mir die Kinnlade runter. Wie kann man mit einer dermaßenen Borniertheit und Ignoranz über die Belange einer besonders betroffenen Gruppe von Menschen unserer Heimatstadt hinweg gehen! Selbstverständlich wollen wir den Ausschuss nicht unnütz aufblähen und selbstverständlich wollen wir nicht jede „Lobbygruppe“ mit einladen, aber hier liegt doch wohl offensichtlich ein besonderer Fall vor! Wie kann ein Grüner sich nur so verhalten?
Ich bin wirklich entsetzt und enttäuscht und hoffe, dass diese Menschen nachdenken und zur Besinnung kommen.

Es reicht schlichtweg nicht aus, den Verkehrsausschuss umzubenennen oder in seinem Wahlprogramm „die Beachtung der Interessen älterer und weniger beweglicher Menschen bei der Verkehrsplanung“ anzukündigen. Man muss es auch wirklich tun und das geht nicht, indem man diesen Menschen ein direktes Mitspracherecht verweigert, weil es „nicht gesetzlich vorgeschrieben“ sei.

Und die Grünen in Aachen sollten sich dringen fragen, ob sie nicht doch lieber zu den Grundsätzen ihrer Partei zurückkehren möchten.

Dieses Verhalten halte ich jedenfalls für technokratisch und schäbig!

UPDATE: Auch die Piraten stimmen meiner Position zu, wie es aus einem Blogbeitrag von Ratsherrn Thomas Gerger hervorgeht.

Themen: Der Aachener Norden, Kommunalpolitik