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Schaufenster, Leuchtturm, Wahlkampf und die Campusbahn

04. April 2012

Es ist Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen und einer der Kandidaten ist der Bundesumweltminister.
Eigentlich könnte ich diesen Beitrag mit dieser zusammenfassenden Aussage auch gleich wieder beenden, aber fangen wir vorne an:
In Aachen wird derzeit die Wiedereinführung einer Stadtbahn diskutiert und es werden Fördermittel für dieses Großprojekt eingeworden.
Falls Sie mit dieser Diskussion nicht vertraut sind, finden Sie hier eine Informationssammlung, hier eine aufgeschlüsselte Kostenrechnung und hier die Beschlusslage meiner Partei zum Thema.

Die Finanzierung der Campusbahn ruht auf einer einzigen Säule, dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG). Weitere Fördermittel sind weder eingeplant noch erforderlich um das Basiskonzept inklusive eines Oberleitungsfreien Betriebs in der Innenstadt umzusetzen.

Losgelöst vom Campusbahnkonzept gab es die Idee eines intermodalen (nicht „intermodularen“, wie die AZ schreibt) Betriebskonzepts, dass einen leichten Wechsel zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern (Auto, Bahn, Stadtbahn, Fahrrad etc.) ermöglicht.
Dieses Konzept besteht aus drei Teilen:

  • Einem integrierten Fahrkartenkonzept, dass Mietwagen, Bahn, Bus und Pedelecs mit einem Fahrschein nutzbar macht,
  • einem Schnelladekonzept für eben diese Elektrofahrzeuge auf Basis der Campusbahn-Infrastruktur und
  • dem Betrieb von Elektrobussen, die sich entlang der Campusbahntrasse und an ihren Endhaltestellen aufladen können.
  • Dieses Konzept wurde von der Stadt Aachen als Antrag im Fördercall „Schaufenster Elektromobilität“ der Bundesregierung platziert. (Ein Fördercall ist der Ruf nach förderfähigen Projekten, die unter bestimmten Anforderung vom Herausgeber des Calls finanziell unterstützt werden sollen.)
    Ich habe in diesem Zusammenhang zwei Kritikpunkte an der Arbeit der von der schwarz-grünen Ratsmehrheit gelenkten Stadtverwaltung:
    Erstens hätte der Antrag der Stadt Aachen besser mit dem Land koordiniert werden müssen. So wie es jetzt passiert ist, also in einem eigenen Antrag, der zwar vom Land unterstützt aber nicht in ein Konzept integriert wurde, waren die Erfolgsaussichten meiner Einschätzung nach von vorneherein nicht ausreichend hoch.
    Zweitens hätte schon in den ersten Vorträgen transparent klargestellt werden sollen, welcher Anteil des Bahnkonzepts zum Schaufenster und welcher zur GVFG-Förderung angemeldet werden soll. Leider gilt der alte Spruch „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.“ Gelogen hat natürlich niemand, aber so wie es unnötiger Unfug war, das Scheinargument der wachsenden Studierendenzahlen als Begründung für die Bahn einzuführen, so war es falsch, die Trennung zwischen den beiden Förderanträgen nicht deutlich hervorzuheben sondern zu versuchen, die Bahn selbst durch ein Sahnehäubchen noch schmackhafter zu machen, als sie ohnehin ist.

    Die Campusbahn ist richtig und wichtig für Aachen, aber sie braucht keine falschen Argumente und keine Verschleierung des Konzepts. Die Bahn kann und wird mit der Begründung überzeugen, die eine ehrliche Bedarfsanalyse erbringt.
    Sie merken, ich setze mich auch persönlich für die Bahn ein und bin überzeugt, dass die nackten Zahlen ausreichend deutlich für ihre Einführung sprechen werden.

    Soviel zu meiner Kritik an der Ratsmehrheit und der Verwaltung. Viel relevanter ist jedoch die aktuelle Entwicklung zum Fördercall „Schaufenster Elektromobilität“. Nochmal zur Klarheit: Es geht nicht um die Förderung der Stadtbahn sondern ausschließlich um das damit verbundene Konzept der Intermodalität.
    Bundesumweltminister und CDU-Sptzenkandidat bei der anstehenden Landtagswahl Norbert Röttgen hat beide Anträge aus NRW zurückgewiesen. Dabei nannte er so gut wie keine inhaltlichen Begründungen sondern betonte (Quelle: Aachener Nachrichten):

    «Durch schlechte Koordination und mangelhafte Vorbereitung der Bewerbung durch die Regierung Kraft kann das NRW-Projekt nicht gefördert werden. 175 Projektpartner, viele Kommunen, kleine und mittlere Unternehmen, haben Geld und Zeit in die Vorbereitung investiert. Frau Kraft hat sie hängen lassen.» Es sei ein «Armutszeugnis», so Röttgen weiter, «wie Frau Kraft die technologischen Möglichkeiten und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes erneut leichtfertig verspielt hat. Wer behauptet, sein Herz schlage für NRW, der darf solch eine Chance für unser Land nicht verpassen».

    Herzlich willkommen im Wahlkampf. Ob sich der Bundesumweltminister damit Freunde in seiner zeitweisen Heimat gemacht hat, ist zu bezweifeln.
    Im Ergebnis ist es aber viel wichtiger festzustellen, dass die intermodale Komponente der Bahn als eigener Förderantrag nicht aus inhaltlichen sondern vor allem aus parteipolitischen Gründen zurückgewiesen wurde. Für die Finanzierung der Stadtbahn als Rückgrat des ÖPNV in Aachen hat diese Ablehnung darüber hinaus keinerlei Auswirkung, da die Mittel in keiner Finanzrechnung enthalten waren.

    Das Gute dabei ist jedoch, dass es nach der Wahl noch eine zweite Chance für das Konzept gibt: Vorausschauenderweise ist noch nicht über die im Call vorgesehenen „Leuchtturmprojekte“ entschieden worden. Diese Hintertür ermöglicht es dem Bundesumweltminister, einzelne Komponenten aus den Bundesländern herauszugreifen und gesondert als sogenannte „Leuchttürme“ zu finanzieren. Es ist zu hoffen, dass diese Entscheidung erst nach der Landtagswahl getroffen wird und dass sich das eigentlich hervorragende Konzept der Campsubahn in dieser anstehenden zweiten, wahlkampffreien Runde durchsetzen wird.

    Zusammenfassend kann man sagen: Schade, aber kein Beinbruch.

    Wenn Sie Fragen zu den Hintergründen oder Anregungen zur Diskussion haben, schicken Sie mir gerne ein Mail oder rufen Sie mich an!

    Siehe auch:
    Aachener Zeitung – Regierung lässt Campusbahn links liegen
    Aachener Nachrichten – Campusbahn: keine Förderung, aber auch kein Rückschlag
    Stellungnahme von ProBahn zum Thema

    Themen: Kommunalpolitik, Landes-, Bundes- und Europapolitik, Presse