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Podiumsdiskussion im Wiesental

21. September 2010

Update: Die Aachener Zeitung berichtet mit Schwerpunkt auf dem „Eklat“ um den verlesenen Brief, während die Aachener Nachrichten stärker auf die Inhalte des Treffens eingehen.

Gestern war es soweit. Im Rahmen der Stadtteilerneuerng Aachen Nord sollen „Grünfugen“ (also breite Parkstreifen) die Jülicher Straße mit der Wurm verbinden. Damit die Wurm ausreichend attraktiv wird, soll diese renaturiert und das Umfeld aufgewertet werden.
In der letzten Sitzung des Planungsausschusses hat die SPD beantragt, diese Planungen zunächst nicht weiter zu verfolgen, sondern zunächst mit den Kleingärtnern zu sprechen, durch deren Anlage die Grünfugen verlaufen sollen. Dies war anscheinend bisher nicht oder nicht ausreichend geschehen.
Die Diskussion des Abends möchte ich nicht rekapitulieren, da es nur wenige Ergebnisse, dafür aber um so mehr Beleidigungen gab. Ich möchte vielmehr die Art des Austauschs und mögliche Gründe dafür betrachten.

Bevor hier Verwirrungen auftreten: Wir, die SPD, haben nicht nur die Vertagung im Ausschuss beantragt sondern auch wegen des mangelnden Austauschs zwischen Verwaltung und Gartenfreunden im Vorfeld mit dem Vorstand der Anlage Wiesental vereinbart, gestern eine öffentliche Fraktionssitzung der SPD-Ratsfraktion auf dem Gelände der Anlage durchzuführen. Wir wurden dann kurzfristig wieder ausgeladen, da statt unserer Fraktionssitzung eine öffentliche Podiusmdiskussion durchgeführt werden sollte.
Vor diesem Hintergrund ist es dann natürlich gelinde gesagt dreist, wenn sich Ratsherr Schaffrath aufs Podium setzt und behauptet, er habe den Termin organisiert und sei alleine dafür verantwortlich, dass die Belange der Gartenfreunde überhaupt gehört würden.
Ich habe bisher nicht verstanden, warum er der Reihe nach aus all seinen Parteien, Fraktionen und Verbänden rausgeflogen ist – jetzt weiß ich es. Er spielt sich auf, verwirrt bewusst und verunsichert die Menschen durch suggestive Fragen, deren Antworten er meistens schon kennt. Meine Meinung über ihn hat sich gestern massiv geändert – ich kann nicht mehr verstehen, warum die Menschen auf ihn hereinfallen.
Doch ungeachtet des Unsinns, den Herr Schaffrath gestern veranstaltet hat, war die Diskussion gestern ein schönes Beispiel für verschiedene Dinge:

1) Politikverdrossenheit
Die Menschen glauben den Politikern nicht. Ich kann das naturgemäß nicht nachvollziehen, aber sie tun es nicht. Es scheint, als ob weder zwischen den Parteien, noch zwischen den politischen Ebenen differenziert werde. Mir war dies schon bei der Podiumsdiskussion in der Soers am 16.6.2009 aufgefallen, gestern war es aber noch deutlicher. Einige Anwesende waren augenscheinlich nur da um Dampf abzulassen. Wenn man schon grundsätzlich der Ansicht ist, dass man belogen wird und man sich auf Grund dieser Ansicht über seinen Gesprächspartner erhebt, dann ist eine ergebnisoffene Diskussion unmöglich. Ich denke, dass diese Menschen (und es war glücklicherweise nur ein Teil der Anwesenden) nur dann glauben, was man Ihnen erklärt, wenn man ihnen Recht gibt.
Aber woran liegt das? Ich habe noch keinen Bürger belogen, der sich an mich gewandt hat und ich verspreche nichts, was ich nicht halten kann, also warum glaubt man mir nicht? Warum werden alle Politiker in Sippenhaft genommen, wenn es reichen würde, einzelne Polpulisten, wie Herrn Schaffrath abzuwählen? Ich denke es liegt daran, dass

2) es nicht reicht, Zeitung zu lesen.
Gestern wurden zahlreiche Fragen gestellt, deren Antworten aus dem Ratsinformationssystem der Stadt Aachen oder dem Handlungskonzept „Nordlichter“ klar hervorgehen. So wurde immer wieder behauptet, es würden Wohnungen für Privilegierte geschaffen und das Viertel so zu teurer werden. Das Gegenteil ist der Fall! Diesen Effekt soll gerade verhindert werden und woher diese leicht zu widerlegende Aussage kommt ist mit unklar. Genauso hieß es, dass die GeWoGe Wohnungen nicht saniert werden sollten. Auch das ist Unsinn. Gerade durch das Erneuerungsprogramm Aachen Nord wird Geld zu Verfügung stehen, dies zu tun. Und die Fragen, ob man die Mittel nicht in soziale Projekte stecken könne treibt uns in den Ausschüssen schon lange um. Wir – und da spreche ich ausnahmesweise mal für alle Fraktionen – wollen das auch. Leider sind die Mittel aber zweckgebunden und wir können sie schlichtweg nicht einfach anderweitig ausgeben. Und dann noch dieser Blödsinn von Bauland! Natürlich will niemand in der Politik die Gartenkolonie beseitigen um Bauland daraus zu machen! Das widerspricht nicht nur dem Konzept „Nordlichter“ sondern unterstellt auch, dass alle Politiker korrupt seien und sich persönlich bereichern wollten, obwohl ihnen das Gelände nichtmal gehört.
Ich kann aber auch die Kleingärtner nicht verstehen. Wenn mein Garten bedroht ist, dann schaue ich doch mal in das Konzeptpapier rein. Es gab bereits im Dezember ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der Kolonie, der es vermutlich versäumt hat die Inhalte an seine Mitglieder weiterzugeben. Spätestens an dieser Stelle muss man sich aber dann doch informieren und für seine eigenen Anliegen kämpfen. Durch die Vertagung im Ausschuss wurde nunmehr das Schlimmste verhindert, so dass kein langfristiger Schaden entstanden ist.
Ich empfinde an dieser Stelle eine leichte „Bürgerverdrossenheit“. Die Angebote sich an die Ratsleute zu wenden sind umfangreich, aber als Ehrenamtler können wir nicht nach 9-10 Stunden Beruf am Tage noch alle eventuellen Betroffenen aktiv ansprechen. Da muss man erwarten, dass sich diejenigen selbst informieren und sich an ihre Ratsleute wenden.

3) Gute Moderation gewinnt
Inhaltlich wurde schlussendlich doch noch konstruktiv diskutiert. Nach den Ausfällen des Scharfmachers Schaffrath, dem Verlesen eines unseeligen, rassistischen, beleidigenden Briefes und den Einwürfen aus dem Publikum, dass Politiker ja grundsätzlich lügen würden, sorgte der hervorragende Moderator dafür, dass wieder Ruhe einkehrte und ein Moderationsverfahren beschlossen wurde, dass die Belange der Gartenfreunde in die Planungen einbringt. Ich nehme für mich mit, dass eine Zerschneidung der Kolonie deren Tod bedeutet und dass es eine breite Kompromissbereitschaft bezüglich der beiden Randdurchgänge gibt. Ich bin mir sicher, dass wir als SPD im Ausschuss einen entsprechenden Änderungsantrag stellen werden. Also die drei Grünfugen aus dem Konzept streichen lassen werden, ein Moderationsverfahren fordern und eine Zerschneidung grundweg ablehnen werden, allerdings stellen wir nicht die Mehrheit.

Das Ergebnis ist dank des guten Moderators und trotz der Unterstellungen und der aufgeheizten Stimmung zustande gekommen. Es hat mich in meiner Überzeugung gestärkt, dass Liquid Democracy nicht funktionieren kann.
Der Moderator hat es geschafft, die Menschen beieinander zu halten, nachdem ein Brief vorgelesen wurde, der abstruse Verleumdungen und Beleidigungen gegen Verwaltung und Politik enthielt. Selbst ich war kurz davor aufzustehen und zu gehen. Er hat es geschafft, dass sich die Urheber dieser „Sache“ zum Ende der Diskussion persönlich entschuldigten – das finde ich gut und die Entschuldigung zeugt von innerer Größe.

Alles in Allem wurde erreicht, dass eine Diskussion auf Augenhöhe beginnt. Das wäre natürlich früher und unter geringeren Verlusten an Ansehen und Gesprächsniveau möglich gewesen, aber das Ergebnis zählt, nicht der Weg.

Ich möchte Sie bitten, sich über die politischen Themen in Ihrem Umfeld zu informieren. Rufen Sie mich dann gerne an – lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig. Ich versuche gerne, Ihr Anliegen frühzeitig einzubringen und leite Ihnen gerne Detailinformationen zum jeweiligen Thema weiter. Politik, und gerade Kommunalpolitik, funktioniert nur, wenn Sie mitmachen. Als Ehrenamtler kann ich Sie nicht aktiv ansprechen, ich kann Ihnen nur anbieten, sich an mich zu wenden.

Themen: Der Aachener Norden, Kommunalpolitik