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Bürgerforum der Aachener Zeitung

08. Juni 2011

Gestern fand das mit Spannung erwartetet Forum der Aachener Zeitung zum Thema Bürgerbeteiligung statt. Es war meiner Ansicht nach eine wirklich gute Veranstaltung, deren Format „Frontale Podiumsdiskussion“ zwar nicht perfekt, aber vermutlich trotzdem optimal war.

Das Publikum war gemischt. Meiner Schätzung nach waren 80% der Anwesenden entweder Schulklassen, PolitikerInnen oder MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung, so dass – wie üblich – vor allen Dingen die bereits politisch engagierten Menschen miteinander diskutierten.

Die Diskussion wurde in vier Teile aufgespalten. Zunächst kamen Wissenschaftler und Experten zu Wort, dann die „Einzelkämpfer“ im Rat (Ratsherren ohne Fraktion), bevor schließlich die Fraktionen des Stadtrats beteiligt wurden. Im vierten und letzten Teil wurden schließlich die Menschen im Publikum eingebunden.

In der ersten Runde betonte Prof. Richter, dass der Hauptgrund für das Mitbestimmungsdefizit die fehlende Information im Vorfeld und die Transparenz der Entscheidungswege sowie der bereits vorhandenen Beteiligungsmöglichkeiten sei. Er ergänzte diesen Aspekt später noch um die Aussage: „Die Versammlung ist die Grundidee der Demokratie.“

Natürlich brauchen wir ergänzende Beteiligungsmöglichkeiten, aber meiner Ansicht nach ist die repräsentative Demokratie eine richtige und wichtige Institution. Sie basiert auf der Idee, dass sich Stadtteile oder Nachbarschaften in einer Person vertreten sehen und diesen Menschen ansprechen, wenn sie Anregungen oder Ideen haben. Es ist nicht mehr wie früher, wo jeder jeden kannte und die Kommunikation über Parteien und Vereine organisiert war. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich beide „Seiten“ – die ehrenamtlichen PolitikerInnen und die Menschen die Anliegen haben – damit auseinandersetzen, wie ein solcher kontinuierlicher Informationsfluss organisiert werden kann. Hierbei bietet das Internet eine große Chance, diesen gesellschaftlichen Wandel zu kompensieren. Durch Portale wie Abgeordnetenwatch oder eine gute Version des Ratsinformationssystems lassen sich der Informationsfluss und die Kontrolle der Abgeordneten gut realisieren. Die Aufgabe der Politik muss es dabei sein, frühzeitig zu informieren und nachhaltig Rechenschaft abzulegen. Ergänzt man dies um die Möglichkeit zu kumulieren und zu panaschieren, so ist in Sachen Bürgerbeteiligung mit Sicherheit mehr gewonnen, als mit jeder Befragung oder jedem Workshop.

Natürlich wurde auch über die zurückliegende Bürgerbefragung diskutiert. Ich bin ohnehin der Ansicht, dass die Ergebnisse nicht verwertbar sind, aber die Mehrheit, die die Umfrage von Anfang an für sinnvoll gehalten hat, verfolgt jetzt kein einziges der Ergebnisse weiter. Das ist organisierte Abschreckung von solchen Beteiligungsformen. Wer wird denn bei der nächsten Runde der Beteiligung noch mitmachen, nachdem er diesmal gesehen hat, dass die Ergebnisse ignoriert oder sogar verdreht werden? Vielleicht bietet ein repräsentatives Bürgerpanel hierzu eine Chance. Immerhin könnte man dann die Ergebnisse nicht links liegen lassen.

Fazit:
Es wurden leider und unwidersprochen an vielen Stellen die negativen Stereotypen der Politiker verbreitet oder die Aufgaben der Politik von der Aachener Zeitung für sich selbst reklamiert. Vor diesem Hintergrund zielten dann auch viele Diskussionsbeiträge nicht darauf ab, gemeinsam an einer transparenteren Form der politischen Kooperation zu arbeiten. Viel mehr wurden Wege gesucht, wie man denjenigen, denen man nicht vertraut im Einzelfall die Entscheidungsgewalt wieder zu entziehen.
Für mich ist dieser Ansatz kontraproduktiv, da er einer vertrauensvollen Arbeit die Basis entzieht. Ein Redebeitrag wurde dabei noch deutlicher: „Sind direkte Beteiligungsformen wie z.B. Onlinebefragungen nicht falsch, wenn wir eine vertrauensvolle, repräsentative Demokratie wollen?“

Die Aachener Zeitung berichtet detailliert über Ihre Veranstaltung unter dem Titel „AZ-Forum: Den Bürgern Kompetenz zutrauen„.

Themen: Kommunalpolitik, Landes-, Bundes- und Europapolitik